Zum Inhalt springen

Improvisation

Lassen sie sich mitnehmen auf eine Reise durch Seelenlandschaften, lassen sie sich durch meine Musik inspirieren, Landschaften ihrer eigenen Empfindung in ihrem Inneren entstehen zu lassen. Lassen sie sich durch die improvisierte Musik und den Klang des Flügels aus ihrem Alltag entführen. Stellen sie sich den Affekten der Musik, die doch so sehr das Wesen des Menschen in all seinen Facetten wiederspiegeln.

Auf die Frage, wie das wohl klingen möge, was Fiechtner am Flügel (oder an anderen Tasteninstrumenten, wie Kirchorgel, Cembalo, Clavicord…etc.) realisieren möchte, kann es keine bestimmte und in enge Grenzen gefasste Antwort geben. Das ewige Drama offenbart sich ein weiteres Mal, welches die traurige Gewissheit ans Licht bringt,  dass dasjenige, was nicht in eine Schublade gepackt, was nicht stilistisch eindeutig zugeordnet werden kann, zu Orientierungslosigkeit führen und damit eher abschreckend wirken könnte.
Was wäre jedoch, wenn eine neue Schublade aufgemacht würde, in der sich eine Stilistik befände, die sich gar nicht festlegen ließe, die wie ein Tür fungierte, hinter der sich die Freiheit des Universums befände, in der sich alle Stile tummeln und sich verbindend die Hand reichten, um gemeinsam einen Reigen höherer Ordnung zu zelebrieren und als verbindendes Element ein Gesamtkunstwerk zu bilden?
Gerne würde ich in diese Schublade gesteckt werden, schon allein aus einem leicht zynistischen Anflug heraus, dass der musikwisenschaftliche Ansatz der stilistischen Zuordnung und des Schubladendenkens sich durch eine solche Schublade selbst ad absurdum führen würde und ferner aus dem Grunde, dass ich mich aller Stile bedienen dürfte, ohne eben in eine der begrenzten Schubladen gesteckt werden zu können.
Und trotzdem unternehme ich den, angesichts des eben ausgeführten Gedankenganges inkonsequenten Versuch, mich zu erklären:
Abgesehen von musikgeschichtlich früher anzusiedelnden Leidenschaften, wie (unter vielen anderen!) derjenigen der Harmonik eines „Viderunt Omnes“ von Meister Perotinus oder den ewigen und das Zeitempfinden ausschaltenden Sequenzfeldern Bachs (siehe dazu in der Analyse des „V. Brandenburgischen Konzertes“) , steht fest, dass meine harmonischen Vorlieben im Spätwerk Liszts und folgerichtig in der Literatur des französischen Impressionissmus wurzeln. Nicht der Liszt im übrigen, der den Salonlöwen hat raushängen lassen, sondern den subtilen, den von den Geistern der göttlichen Inspiration beflügelten Liszt, den Sucher und Finder neuer Klangwelten, welchem leider immer noch nicht das Maß an historischer Bedeutung entgegengebracht werden will, welches im längst schon zugestanden hätte und welches ihn als Neuerer und Komponist weit über seinen Schwiegersohn erheben würde ( es muß gesagt sein, so sehr ich Wagner auch liebe!).
Doch wieder zurück zum Stil:
Die Leidenschaft für die heimlichen Lehrer von uns Musikern, den Vögeln, teile ich mit Messiaen. Elemente seiner beiden großen seriellen Schüler, deren Namen ich hier nicht nennen möchte (man denke sich hier einen leicht ironischn Unterton), weil möglicherweise schon der Klang des Namen des berühmteren Komponisten durch seine lautmalerische Gewaltigkeit abschreckend wirken könnte, fließen mit ein. Auch Minimalmusik-Elemente können dabei sein. Überhaupt spielt Rhythmik eine große Rolle in meinen Improvisationen, also auch afrikanische Trommelelemente, die durch Präparation in ihrer Geräuschhaftigkeit unterstützt werden können, oder Gamelan, oder…
Vielleicht strapaziere ich die Hörgewohnheit des Publikums mit der Unbarmherzigkeit der Stille, wie es der amerikanische Kompositions-Freigeist John Cage getan hat (z.B. in seinem Stück: 4´33´´).
Dies ist allerdings sehr selten, da sich meine Spielfreude stets kaum bremsen lässt.
Sie sehen, eine Erklärung ist  fasst genauso verwirrend wie ein Ausschweigen über eine stilistische Disposition meiner Musik.
Das wichtigste ist, dass ich mein Publikum mitnehmen möchte auf eine Reise, die durch mich induziert, in der Empfindung des Menschen selbst stattfinden soll, wobei eine Jede und ein Jeder eine durch seine Prägung zum subjektiven Individuum bedingte Reiseroute einschlagen möge. Insofern ist meine Improvisation zwar nicht im geringsten ausschließlich entspannend meditativ, aber stets kontemplativen Charakters. Eine Musik, in die man sich hineinfallen lassen sollte, sich bemühen sollte, sich auf sie einzulassen.

Folgende Musikbeispiele sind als Ausschnitt einem meiner Konzerte entnommen. Ein Improvisationsfeld, welches sich natürlich aus Vorausgegangenem entwickelt hat. Insofern ist es aus dem Zusammenhang genommen worden, aber möglicherweise kann es schon einen kleinen Eindruck hinterlassen:

Zur Improvisation allgemein:

Die für mich interessanteste Improvisation, ist folgerichtig die „freie Improvisation“, bei der keine stilistischen Grenzen gesetzt werden, sondern nur der Moment, der momentane „Zustand“, die emotionale Disposition zählt, aus der heraus sich neue Klangräume unterschiedlichster Art und Beschaffenheit entwickeln können. Jeder Punkt auf dem Zeitstrahl des Improvisationsvorganges kann etwas anderes, als das Gewesene hervorbringen.

Es ist wie ein Spiegel des neuronalen Netzes des menschlichen Gehirns:

Der Instrumentalist kommt aus einer Stimmung, aus einem „Zustand“ (Ganglion!), heraus (nervöse Bahnen!) in eine Situation, aus der wiederum viele Wege herausführen können. Diese können ganz entgegengesetzter Natur sein und doch einen Bezug auf das, was gerade war, haben, weil der Weg bis hier ein gemeinsamer war. Um noch ein weiteres und vielleicht plastischeres Beispiel anzuführen, wäre die Baumstruktur zu nennen:

Eine Ameise läuft auf einem Ast, kommt an eine Astgabel und nimmt einen bestimmten Weg. Dieser kann ganz anders beschaffen sein als derjenige, den sie hätte nehmen können, ist aber immer noch ein Weg auf einem Ast desselben Baumes.

 

Diese Art der Improvisation hat etwas Kontemplatives an sich und fördert die Fähigkeit, auch mit notierter Literatur freier umgehen zu können.

Da es gilt, erst einmal gewisse Kanäle zu öffnen, damit eine freie Entfaltung, ein „Fließenlassen“ möglich ist, sollten die Improvisierenden eine gewisse meditative Ebene erreicht haben. Die Fähigkeit, sich in Stimmungen und Gefühle hineindenken und hineinfallen lassen zu können  ist dazu eine wichtige Voraussetzung.

Erfahrungsgemäß ist es genau diese Problematik mit dem „Nichtloslassenkönnen“, die sich denjenigen, die sich an der Improvisation versuchen, entgegenstellt.

 

Viele (auch sehr gute) Instrumentalisten haben paradoxerweise große Schwierigkeiten mit der Tatsache, dass bei der Improvisation alles erlaubt ist. Freiheit gerät ihnen zum Problem.

Deswegen ist die Improvisation so wichtig, da die Instrumentalist/Innen anhand der Improvisation eigene kreative Kräfte spüren können, die wiederum das Spiel mit notierter Literatur positiv beeinflussen können.

 

Ebenso kann man bei Gruppenimprovisationen Hinweise auf die psychische Verfassung und auf die soziale Disposition der Teilnehmenden bekommen.

Dies kann man an speziellen Verhaltensweisen während des Musizierens feststellen:

Ein Mitglied der Gruppe geht beispielsweise gar nicht auf die Mitspieler ein, sondern ist voll und ganz in das vertieft, was sie /er spielt am Instrument. Ein anderes Mitglied der Gruppe spielt sich ständig in den Vordergrund, weil es Angst hat, nicht gehört zu werden. Oder ein anderes läßt es nicht zu, auch einmal den „Solopart“ zu übernehmen und damit die Gruppe „anzuführen“. Die jeweilige soziale Disposition im Sinne des Maßes an Sozialkompetenz und Befindlichkeit des Einzelnen offenbart sich dem Beobachter.

 

Im Rückschluß kann Improvisation also auch als Therapiemöglichkeit zur Entwicklung sozialer Kompetenz angewandt werden.